Donnerstag, Juli 13, 2006

Und ich sag noch...

Klinsmann geht.

Gut so. Nicht, weil ich ihn nicht schätzen würde, sondern eben genau, weil ich ihn schätze. Im Zenit von Erfolg und damit verbundener Macht, geht er und kann mit Joachim Löw seine Nachfolge und sein Erbe regeln.
Ich persönlich hatte nichts anderes erwartet, denn auch wenn Beckenbauer, Hoeneß, die Bild und alle anderen nach der WM zu Opfern einer selektiven Amnesie wurden und laut riefen, er müsse bleiben, erinnere ich mich noch sehr gut, wie z.B. nach dem 4:1-Fiasko gegen Italien tatsächlich gefordert wurde, das sich der Bundestrainer vor dem Sportausschuss der Bundesregierung rechtfertigen solle. Unvergesslich ist mir, wie Franz Beckenbauer mit selbstgerecht-herablassender und Ulli Hoeneß mit sich vor Hysterie fast überschlagender Stimme meinten, zu wissen, wie sich der Bundestrainer zu verhalten und wo er zu leben habe.
Schon damals lief mir ein Schauer der Peinlichkeit ob ihrer offensichtlichen Selbstentlarvung über den Rücken. Sie wurden zu Kindern, die immer lauter mit dem Fuß aufstampften angesichts ihrer Machtlosigkeit.
Da war einer, der sich nicht unter Druck setzen ließ, der alles anders machen wollte und dies auch mit aller Konsequenz verfolgte. Misserfolge wurden analysiert, aufgearbeitet, verwertet, aber sie wurden nicht wie ein Damoklesschwert über die Mannschaft und das Konzept gehängt, als ob es um Leib und Leben ginge. Fehler sind dazu da aus ihnen zu lernen. Mehr nicht, weniger nicht.
Die Torwartfrage - was wurde er gescholten dafür - aber warum soll nicht auch ein anderer, der eine entsprechende Leistung erbringt, die Chance bekommen, sich zu zeigen? Ist der Name Oliver Kahn in Stein gemeißelt? Ist er Gott? Weder das eine noch das andere, ebenso wenig wie Jens Lehmann, aber Tatsache ist doch, das es für die deutsche Mannschaft ein anderes Spiel werden sollte und warum soll die Suche nach adäquaten Spielern für ein neues System bei einem Torwart aufhören? Da ist doch auch nicht der eine wie der andere.
Als Klinsmann antrat, war ich skeptisch und auch ein wenig gespannt. Mir gefiel der Ansatz, das sich was ändern müsste. Darin fühlte ich mich als Fan verstanden. Gerade vor ein paar Tagen habe ich noch einen wunderbaren Satz gehört: „Deutschland hatte das Pech mit Berti Voghts Europameister und mit Rudi Völler noch Vizeweltmeister zu werden.“ Verdient war das mit unserem ziemlich langweiligen und auf Sicherheit gespielten Rumpelfußball schon lange nicht mehr. Ebenso, und das hatte Jürgen Klinsmann begriffen, war das nicht die Zukunft, eine Zukunft, die sich aus Schnelligkeit, Fitness und Raffinesse zusammensetzte, von der Fußballdeutschland noch weit entfernt war und in der Bundesliga nach wie vor ist.
Vor einem Jahr im Confed-Cup konnte er das erste mal ernten was er gesät hatte. Was ich zu sehen bekam, begeisterte mich. Diese Mannschaft war wie ausgewechselt. Freude, eine grundsätzlich positive Einstellung, offensiver Spielwitz und Teamgeist wie man ihn sehr lange nicht mehr erlebt hatte. Ich freute mich, das wir endlich eine Mannschaft hatten, von der man den Eindruck haben konnte, das sie alles geben würde, um zu gewinnen. Da fand keine Ergebnisverwaltung statt, lieber riskierte man etwas, um noch ein weiteres Tor zu schießen und auch wenn wir dadurch mehr Gegentreffer kassierten, am Ende zählte der eine Punkt mehr.
Ab diesem Moment wurde ich Klinsmann-Fan und egal, wie viel Mist über diesem leidenschaftlichen Visionär ausgeschüttet wurde, mir konnte man ihn nicht mehr madig machen. Wir verloren? Ich gebe zu, schön war das nicht, aber mal ehrlich, Teamgeist lässt sich nicht in drei Tagen zwischen zwei Bundesligaspielen mal so eben beschwören. Schon gar nicht in einer so jungen und neu aufgestellten Mannschaft, der noch die Routine fehlt.
Er war dann und dann nicht da und da, weil er lieber bei seiner Familie in Kalifornien sein wollte? Na und, Hauptsache er ist da, wenn’s drauf ankommt.

Und er war da als es drauf ankam. Er war da und gab uns Leidenschaft, Einsatz und zeigte uns, das wir auch anders können - angriffslustig, schnell, frech – nicht nur die sicherheitsorientierten Garantiefanatiker.
Das er jetzt geht ist für mich genauso konsequent, wie die wahrscheinlich immer wieder neu getroffene Entscheidung zu bleiben. Er wollte etwas verändern und das ist ihm gelungen – zumindest für die Dauer der WM hat er weit mehr verändert als er vermutlich auf dem Zettel hatte. Wie nachhaltig das ist, wird sich noch zeigen.
Das er es geschafft hat, Deutschland eine Veränderung aufzuzwingen und damit zu erreichen, das dieses Land jubelt – allein dafür hat er schon das Bundesverdienstkreuz verdient.
Aber dieses Land hat ihm auch alles abgefordert. Immer wieder ist er von Menschen, die ihn hätten unterstützen müssen, mit Schlamm beworfen worden und trotzdem ist er geblieben. Hat uns nicht im Stich gelassen, wie er im Stich gelassen worden ist, hat geglaubt, woran die Meisten nicht geglaubt haben und dafür müssen wir, wie Angela Merkel zu Recht sagt, dankbar sein.

Das er jetzt geht, wird von mir, wie von vielen anderen, nicht nur akzeptiert und respektiert – es wird auch verstanden. Er hat eine Vision aufgebaut, Joachim Löw als Mitgestalter wird sich dieser sicher würdig erweisen - auch durch den Respekt, den Klinsmann und seine Mannen jedem abgetrotzt haben und der hoffentlich nicht so schnell wieder vergessen wird.

In diesem Sinne sage ich nicht danke für einen Traum, denn dem jagd man bekanntermaßen immer hinterher - ich sage danke für eine Idee und das Aufzeigen ihrer Möglichkeiten, nämlich das Veränderung etwas Gutes ist und das dieses Land doch anders kann.
Das wurde Zeit!

Keine Kommentare: