Samstag, April 29, 2006

Berliner Art

Wurde unsere Ankunft einen Tag zuvor noch von der Sonne begleitet, wurde heute nach dem Aufziehen der Gardinen schnell klar, das die nette Verkäuferin im Fossilshop eine gute Intuition besaß, als sie mir gestern unaufgefordert einen Regenschirm zu meiner neu erworbenen Uhr einpackte.
Sollte es heute doch zur Pfaueninsel gehen, aber ach, beim Frühstück im Kreuzberger Café Hannibal musste ich auch mir eingestehen, dass das Wetter wohl nicht mehr aufklaren würde.
Dann sollte es eben Kunst werden. Das Galeriewochenende lädt ein und stand eh auf unserem Plan, wenn auch nicht, zumindest auf meinem, an oberster Stelle. Zu merkwürdig finde ich den Kunstmarkt als solchen. Das etwas so seelenvolles so zu Markte getragen wird, tatsächlich modischen Strömungen unterworfen werden kann und einem sich um sich selbst drehenden Gequatsche ausgesetzt werden darf, macht mich immer wieder fertig.
Man verstehe mich nicht falsch, denn ich liebe es, Kunst im Original zu sehen und ich bin mir auch des existenziellen Hintergrunds des Künstlers und der damit verbundenen Notwendigkeit des Verkaufs bewusst, aber oft habe ich das Gefühl, das es nicht um die Kunst geht sondern eher um die Geschichte dahinter.
Viele Bilder wirken erst richtig, wenn die entsprechende Legende drum herum gerankt wird und der Galerist fungiert als Erzähler. Betritt man eine Galerie ist es seine Aufgabe, einen mit eben diesen Geschichten zu umgarnen und für den Künstler einzunehmen. Davon lebt der Künstler, davon lebt der Galerist.
Meine Art, mir Bilder anzuschauen ist jedoch keine solch akademische. Entweder es berührt mich oder nicht. Natürlich hilft manchmal die Geschichte als Träger, aber letztendlich ist Kunst Kommunikation und wenn ich mich nicht angesprochen fühle, wird es verdammt still. Fühle ich mich jedoch angesprochen, verstehe ich nicht zwingend die Sprache des Künstlers. Er könnte etwas ganz anderes gemeint haben als ich in seinem Werk gesehen habe, doch auf einer tieferen Ebene verbindet sich etwas.
Ein Freund sagte einmal, das er Kunst nie außerhalb einer Galerie kaufen würde. Vermutlich geht er davon aus, das es erst qualitativ Kunst ist, so denn diese durch einen Galeristen manifestiert worden ist. Ich würde Kunst überall lieber kaufen als in einer Galerie, denn etwas so individuell Geschaffenes kann auch nur individuell gesehen werden und ich traue mir generell die Unterscheidung selbst zu. (Natürlich ist mir bewusst, das es akademische Zweige gibt, die sich mit nichts anderem als der technischen Beurteilung von Kunst beschäftigen, das auch für manchen Sammler der steigende Wert als wichtiger Maßstab zum Kaufen dient und er sich entsprechend mit einem Galeristen seiner Wahl verbindet, doch wenn man sich nur davon leiten ließe, würde ein Van Gogh bis heute nicht gezeigt.)
Aber zurück nach Berlin. Wir tauchen also ein in das erste von zwei Bermuda-Dreiecken der Berliner Kunstszene, welches zu unserer Freude um unser Hotel herum verstreut liegt. Man soll sich ja bekanntermaßen das Beste bis zum Schluss aufheben, doch schon in der ersten Galerie war uns klar, dass das gerade Gesehene kaum zu toppen sein würde. Marcel Odenbach heißt das Genie hinter den ca. vier Meter langen und zwei Meter hohen Collagen (für das Hochkantformat muss man nur die Zahlen tauschen). Bilder, die aus zehn Meter Entfernung wie fotorealistisch gemalte Sujets wirken, zerfallen bei näherem Herangehen in tausende passend eingefärbte Einzelbilder, partiell durchbrochen von Strukturen aus farbigem Fotokarton, die eine ganz eigene Erzählebene entwickeln. Abgesehen von der ungeheuren Fleißarbeit, die hinter jedem Bild steckt, ist es eine beeindruckenden Gedankenwelt, die in der Dopplung der Betrachtungsweisen für den künftigen Besitzer vermutlich noch in Hundert Jahren spannend sein wird, so denn er so alt wird. Ich habe von dem Kauf eines Katalogs abgesehen, da dieser nicht einmal im Ansatz wiederzugeben vermag, was wir in Natura sehen durften. Die Preise für die Bilder sind gerechtfertigt exorbitant und die Ausstellung schon fast verkauft.
Als nächstes schauten wir uns die Nahaufnahmen von Kühen, Pferden, Hunden und anderem Getier des Finnen Esko Männikö an. Nach Odenbachs Bildern schwer, sich einzulassen, doch meine Liebe zur Spezies Tier als solcher und die teilweise absolut verrückten Aufnahmen des Finnen nahmen mich gefangen. Schwer zu beschreiben, doch die Nahaufnahme eines geschlossenen Pferdeauges trieb mir fast die Tränen in die Augen. Vielleicht, weil ein Fluchttier das Vertrauen besaß, ihn in einem solch entspannten Moment so nah an sich heranzulassen mit soetwas fremden wie einer Kamera und einem Blitz. Schnappschüsse waren es nur in dem Sinne, das ein Tier nicht in einer Bewegung verharrt. Der Rest ist reines Vertrauen. Alles ist herrlich erdig. Man sieht, das er hauptberuflich jagd und fischt, zumindest wenn ich die Galeristin richtig verstanden habe. Englisch scheint hier fast Erstsprache zu sein. So ist zumindest mein Eindruck, sooft, wie man mich entweder erst auf Englisch und dann auf Deutsch angesprochen hat oder, wie eben die Galeristin des Finnen, einfach ignoriert hat, das ich Deutschsprachig bin und fröhlich ohne Punkt und Komma geplaudert hat – eben auf Englisch. Mir blieb es, höflich zu nicken, in einfachsten Englisch zu fragen und mich endgültig an den Gedanken zu gewöhnen, das ein Sprachkurs zur Auffrischung mal wieder einen Gedanken wert wäre. Ich fühle mich auf globaler Ebene zurückgelassen. Vermutlich das Los der Übergangsgenerationen, oder doch nur mein eigenes?
Nach den Bildern des Finnen folgte viel für mich unverständliches mit mal mehr mal weniger beeindruckenden Aspekten. Etwas fiel jedoch auf, Männer in dieser Szene, ob jung, ob alt scheinen sich generell sehr zugetan zu sein und die klassische Besucherpaarung besteht aus älteren Herren begleitet von jungen Frauen, während ihre älteren Ehefrauen alternativ mit ihrer gleichaltrigen Freundin unterwegs sind.
Davon abgesehen scheinen in Galerien arbeitende Kunststudentinnin grundsätzlich groß, schlank, apart und volllippig zu sein. Sehr nett.
Am Ende des Rundgangs brach mir noch die Plastik eines nassen, eine Kaugummiblase machenden Eisbären des Künstlers Michael Nitsche das Herz. Vielleicht springe ich doch noch über meinen Schatten und kaufe vom System?



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