Mittwoch, Jänner 11, 2006

Nachbarn

Ein Phänomen, das man als DDR-Relikt bezeichnen könnte, ist das Inselgrundstück.
Ein Grundstück, das inmitten anderer Grundstücke liegt und dessen Anbindung an die Straße nur durch ein Wegerecht über das Land der Nachbarn gewährleistet ist.
Im Westen wird man solche Art der Bebauung, wenn überhaupt, sehr selten finden.
In den östlichen Bundesländern ist es ein immer wieder zu besichtigendes Phänomen, das durch die etwas undurchsichtige Art der Besitz-, Pacht- und Kaufregelung entstanden ist, welche die DDR anwendete, um ganz unkapitalistisch seinem Bürger Besitz, den er in dem Sinne ja nicht haben durfte, angedeihen zu lassen und sich so der Verantwortung für das entsprechende Land zu entledigen.

Als ich letztes Jahr kaufte, kaufte ich ein Grundstück, welches in drei einzelne Grundstücke unterteilt worden ist, die wiederum eine solche Insel umschließen.
Nicht generell problematisch für mich, da viele Büsche und Bäume einen entsprechenden Sichtschutz boten und für die beiden großen Grundstücksteile der Zugang zum See gewährleistet war.
Ich hatte also meine Ruhe und sollte ich mich entschließen, die Scheune zu verkaufen, würde der Zugang zum See das Land aufwerten.

Kaum war der Kauf perfekt traten gleich mehrere Nachbarn an mich heran, um Angebote für das kleine Grundstück direkt am See abzugeben. Erstaunt stellte ich fest, das ich nicht nur eine etwas seltsame Grundstückskonstellation gekauft hatte sondern auch noch die entsprechende Vergangenheit.
Die Vergangenheit des kleinen Grundstücks am See lag vor allem darin, das X, Besitzer des Inselgrundstückes, es zu DDR-Zeiten zwar pachten, aber nicht kaufen durfte, da er, so habe ich es verstanden, die qm-Anzahl, die er besitzen durfte schon ausgereizt hatte. Also pachtete er, hielt das Schilf in Schach, baute sich einen Steg und ließ es sich gut gehen.
Bis die Wende kam. Doch auch nach der Wende war es ihm auf Grund merkwürdiger Regelungen nicht gestattet zu kaufen. Wirre Zeiten, wirre Gesetze. Die Erben des Alteigentümers meldeten Anspruch an, der, bis auf das Inselgrundstück des X, gewährt wurde.
Mitte der Neunziger verkaufte die Erbengemeinschaft an K, den Vorbesitzer meines Hauses. X und K hatten von Beginn an ihre Probleme miteinander, die bald nur noch vor einem Gericht gelöst werden konnten. Entsprechend verlor X endgültig seinen Zugang zum See und K ging sogar noch einen Schritt weiter und pflanzte großflächig Weiden, damit dieser schnellwachsende Baum X auch noch die Sicht auf den See versperren möge.

Durch den Verkauf an mich schöpfte X erneut Hoffnung. Ich räumte mir Bedenkzeit ein, hörte mich um, wog ab.
Und verkaufte nicht.
Ich wollte den Grundstückswert der Scheune nicht mindern, indem ich sie vom See abschnitt

Andere Nachbarn verstanden den Standpunkt, hatten jedoch, was eine Nutzung des X anging, unterschiedliche Meinungen. Die alteingessessene Familie Y fand meine Idee, X Zugang zu gewähren gut, da es doch wirklich bitter sei, was für ein Pech er hinsichtlich dieses Grundstücks hatte. Z, dessen Schafe schon auf diesem Grundstück weideten, riet mir dringend ab, da X jemand wäre, der noch immer glaubte, alles machen zu können wie es ihm beliebte.

Ich entschied mich für X, da der alte Ärger nicht mein Ärger war und ich ihn nicht durch Hörensagen vorverurteilen wollte
Ich kann das Zugangsrecht ja jederzeit rückgängig machen.
Ich gestattete ihm, die Weiden zu fällen, ein Boot ans Ufer zu legen und sich eine Schneise ins Schilf zu schlagen.

X fällte die Weiden – und die Lebensbäume und den Holunder und was sonst noch an Büschen entlang seines Zaunes wuchs. Ich hatte die Ecke nicht sehr im Blick und bemerkte dies erst als ich von Z darauf aufmerksam gemacht wurde.
In einem Gespräch stellte ich klar, das „die Weiden“ nur die Weiden und nicht noch alles andere bedeuteten, auch wenn er das zu anderen Zeiten selber dort gepflanzt hat.
Noch einmal wurden klar und deutlich die Grenzen gesetzt, in denen er sich bewegen konnte.
Schneise ins Schilf, Boot am Ufer, Baden gehen und Punkt.

Das liegt ungefähr sechs Wochen zurück.
Gestern hobelt mein Angeliebter mit einem Teil der Familie Y das Reed vom Eis, als er 50 m weiter über das Schilf hinweg eine merkwürdige, schwankende Apparatur beobachtet, die von entsprechend lauten Stimmen begleitet, was für ein Werk auch immer vollbringt.
Als er übers Eis an der Schilfkante entlang läuft, entdeckt er, wie X mit seinem Sohn Pfähle für einen Steg in den Seegrund treibt.

Als mein Angeliebter berichtet, bekommt das Gespräch, das ich mit X bei einer zufälligen Begegnung einen Tag zuvor am Zaun geführt hatte einen Sinn. Seine Anfrage an den Fischer B bezog sich nicht, wie von mir gedacht, auf die Schneise im Schilf sondern auf einen Steg, den wir beide gemeinsam sechs Wochen zuvor noch ausgeschlossen hatten.
„Wat schiet, was soll ich einen Steg bauen, wenn mir nicht mal das Land gehört.“, waren seine Worte und ich verstieg mich zu der Aussage, das Fischer B eh keinen Steg genehmigen könne, der nicht an X eigenes Land grenzen würde.

Eine erneute Fehleinschätzung meinerseits. Fischer B hat genehmigt ohne bei mir nachzufragen und X hat gefragt, aber nicht mich.

Was nun, was tun?

Gefangen in (m)einem Ost-West-Konflikt, (m)einem Stadt-Land-Konflikt und letztendlich in dem Wunsch, keinen Ärger aufkommen zu lassen, unterdrücke ich den Wunsch, ihm schon jetzt das Nutzungsrecht zu entziehen. Auch in dem Wissen, das ein nie zuende gebauter Steg vermutlich bei Fischer B keinen guten Eindruck hinterlässt (und ich will ja noch meinen eigenen), belasse ich es bei einer für ihn und seinen Sohn klar verständlichen Ansage, das jede weitere Veränderung seinerseits, wie klein sie auch sein mag, mit mir besprochen werden muss.
Und trotzdem wir klar und ordentlich sprechen können, spüre ich meine Fremdheit im Umgang mit ihm, im Umgang generell mit den Alten im Dorf, im Umgang mit den unterschiedlichen Vergangenheiten, im Umgang mit Mentalität und Gepflogenheiten.
Er spürt, das ich sie spüre und reicht mir, nicht ohne seinen eigenen Vorteil zu wittern, seine Hand.

Ich befürchte, Z´s Kommentar „Du schaust deiner eigenen Enteignung zu“ ist nicht so weit hergeholt, wie ich es mir wünschen würde.

Fremd im eigenen Land?
Posted by Picasa

1 Kommentar:

Queer - Denker hat gesagt…

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