Montag, März 26, 2007

Deal or no Deal

Verkäufer werden ist nicht schwer, Verkäufer sein umso mehr. Der Berufsstand, der uns die Kaufentscheidung erleichtern und Begehrlichkeiten wecken soll, steht nicht immer in dem besten Ruf.
Den Ruf eines Autoverkäufers beispielsweise kann man vielleicht am besten mit dem eines Animateurs im Cluburlaub vergleichen – permanent präsent, irgendwie nervig und egal, welchen Zickzackkurs man wählt, man kommt nicht an ihm vorbei. Die Wurstfachverkäuferin hinter der Theke hingegen wird kaum als Verkäuferin wahrgenommen. Ihre beratende Funktion hält sich im Normalfall in Grenzen, denn der Kopf der Kundin/des Kunden ist meist schon beim Schreiben des Einkaufszettels zerbrochen und so geht es an der Theke nur noch darum, das Gewünschte einzupacken. Heikel lediglich die Frage nach der Frische, die im Sinne des Geschäfts natürlich grundsätzlich mit „ja“ zu beantworten ist, die jedoch aus versicherungstechnischen Gründen mit findigen Formulierungen den tatsächlichen Zustand des Fleischs darstellen soll ohne dass darin Worte wie „schlecht“, „übel riechend“ oder „sofort zu verzehren“ vorkommen. Gern genommene Empfehlung: „Braten Sie es gut durch! Dann kommt der Geschmack zur vollen Entfaltung.“

Vorraussetzung für den Beruf des Verkäufers ist auch die Identifikation mit der Marke respektive der Ware. Nur wer vermeintlich weiß, wie toll sich die Jeans tatsächlich trägt, das Auto sich fährt, die Waschmaschine wäscht, nur der kann seinen Kunden die Qualität glaubhaft vermitteln. Entsprechend hat der Verkäufer selbst, dessen Frau oder ein anderer Verwandter das Produkt schon lang im Besitz und seither ein besseres Leben – natürlich!
Grundsätzlich scheint dies jedoch bei Einigen dazu zu führen, dass sie sich mit ihren Kunden verwechseln. Besonders gut zu beobachten ist dies beispielsweise in den Boutiquen am Hamburger Jungfernstieg. Wenn man ein solches Geschäft, dass schon im Schaufenster die Waren nicht mehr auspreist, betritt, wird man erst einmal einer gründlichen Musterung unterzogen. Die Verkäuferin seziert den potenziellen Kunden, um herauszufinden, ob sich der Aufwand, hinter dem Tresen hervorzutreten, lohnt. Lohnt es sich in ihren Augen, hat man als Kunde zu meist ein sehr zuvorkommendes Wesen an seiner Seite, das einem permanent das Gefühl vermittelt auch noch in neongelb toll auszusehen. Natürlich weiß dieses Wesen auch, dass Frau X etwas Ähnliches auf der Eröffnungsfeier von Y tragen wird.
Am Ende des Tages fährt die Kundin allerdings wieder nach Othmarschen in ihre Villa, während die Verkäuferin die U-Bahn Richtung Wandsbek nimmt, um ihre Ein-Zimmer-Wohnung aufzuschließen.

Sympathie, Empathie und Geduld sollten das Wesen eines Verkäufers sein – möchte man meinen. Provisionen, Umsatzdruck, Unterbesetzung und Chefs, die sich permanent am existenziellen Abgrund sehen, verhindern leider oftmals, dass diese Qualitäten zur Geltung kommen. Ich persönlich erinnere mich noch gut daran, wie eine Kundin in mitleidig-ungeduldigem Ton zu mir sagte: „ Ist schon gut, ich habe mich doch schon entschlossen, den Blazer zu nehmen.“ Während des Verkaufsgesprächs war ich bereits zweimal ans Telefon gerufen worden, um meine Zahlen vor der Chefin zu rechtfertigen. Die Verzweiflung schien mir ins Gesicht geschrieben.

Besonders hässlich wird es jedoch für den Käufer, wenn der Verkäufer eine Ware anbietet, die wie „geschnitten Brot“ geht und sich dennoch in einer Preisklasse befindet, die nur nach reiflichen Überlegungen eine entsprechende Kaufentscheidung ermöglicht.
So geschehen am Freitag im Autohaus K. in Hamburg. Als Suchender gewohnt, dass sich der Verkäufer mit den speziellen Wünschen auseinandersetzt und sich bereit zeigt, einem in der einen oder anderen Sache entgegen zu kommen, trifft man vor Ort auf Herrn P.. Herr P. hat laut Internet am vorigen Tage 6 Jahreswagen der Marke V. hereinbekommen, die preislich endlich unter dem persönlich gesetzten Limit liegen. Als man sich, 24 Stunden nach Eintreffen der Wagen, auf dem Hof umsieht, wird klar, dass wir froh sein können, dass überhaupt noch drei Wagen zum Verkauf stehen.
Entsprechend verhält sich der Auftritt des Herrn P. Schnell wird deutlich, dass er es nicht nötig hat, dem Kunden das Gefühl einer Win-Win-Situation zu verschaffen. Herr P. gewinnt ja sowieso, denn wenn der eine Kunde nicht will – der nächste steht schon hinter diesem. Entsprechend werden Einwände weggewischt, Reservierung und Bedenkzeit sind keine Option und gezahlt wird, was auf dem Schild steht – Punkt.
Deal or no Deal, fragt Herr P.? Widerwillig, dennoch: Deal! Aber was lehrt uns das?
Verkäufer werden ist nicht schwer, Verkäufer sein umso mehr, Herr P.
Sonst verkauft sich ihr Ruf ungefähr so: Tolles Auto, aber der Verkäufer, der geht gar nicht! Es soll Kreise geben, denen das wichtig ist.

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