Montag, Februar 26, 2007

Minimalistisch

Vor vielen, vielen Monden, das digitale Zeitalter war noch nicht eingeläutet, bekam ich meine erste Kamera geschenkt. Meine Eltern hatten extra meinen fotografieerfahrenen Cousin zu Rate gezogen. Es wurde eine Olympus OM-1. Das technische Highlight war ein eingebauter Belichtungsmesser. Alles andere musste man selbst einstellen. Schärfe, Blende, Verschlusszeit. Sein Argument war, dass man nur so richtig Fotografieren lernt und er hatte Recht.

Als ich am letzten Samstag das erste Mal in einem Mini der alten Generation saß, musste ich an diese Kamera denken. Das Auto ist ähnlich rudimentär, wenn man von dem Luxus eines CD-Players und Ledersitzen einmal absieht. Man fühlt jeden Kieselstein auf der Straße, kein noch so kleiner Schnitzer beim Lenken wird verziehen, vergeblich sucht man nach dem heutzutage handelsüblichen fünften Gang und das Röhren des Motors hat seinen ganz eigenen Charme. Offiziell ist er fähig zu einer Spitzengeschwindigkeit von 148 km/h, doch schon bei 120 km/h vibriert der Rückspiegel sosehr, dass man auf die Außenspiegel angewiesen ist. Der Tank fasst gerade mal 20 Liter und das Armaturenbrett gestaltet sich übersichtlich.
An jenem Samstag fuhr ich auf die A24 Richtung Hamburg, erste Bodenunebenheiten verursachten eine leichte Seekrankheit und ließen mich über einen Sport-BH nachdenken. Das Auto röhrte, so dass die Musik kaum noch zu hören war. Die Zeit überholte mich in Form von modernen Wagen, ausgestattet mit so vielen Kürzeln, dass vermutlich selbst die Verkäufer solcher Autos jedes Mal wieder eine Schulung brauchen, wenn ein neues Modell auf den Markt kommt.
Ich fuhr ca. 110 km/h, lehnte mich in den, zugegebenermaßen bequemen Sitz, und fand mich damit ab, dass ich höchsten noch einen LKW überholen würde können. Vermutlich würde ich statt der üblichen Stunde gut zwei unterwegs sein.
Ich ließ den Blick schweifen und erfreute mich an dem, durch die äußerst schmale A-Säule bedingten Panoramablick. Der Druck schwand – es ging eben nicht schneller. Ich entspannte und während die anderen nur so vorbeiflitzten, spürte ich, dass dies mehr war, als eine Fahrt in irgendeinem Auto. Ich wurde entschleunigt und das Auto vermittelte mir das Gefühl, nicht am Anfang eines neuen Jahrtausends zu stehen – es ließ mich zurückreisen in eine Praeinternet-, eine Praehandyzeit, eine Zeit, in der Sinnlichkeit mehr zählte als immer erreichbar, immer im Gespräch oder eigentlich woanders zu sein. Erstaunt stellte ich fest, dass selbst in dem Unglück eines Totalschadens ein Quäntchen Glück liegen kann.


Dieser wunderbare kleine Mini stahl mir nicht die Zeit, er schenkte sie mir.

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