Donnerstag, November 02, 2006

So soll es sein?

Eine Email erreicht mich im Sommer diesen Jahres. Eine Bekannte schreibt, wie sehr sie die Zeit, die sie bei uns verbringen durfte, genossen hatte, schwärmt von einem Tag, der mehr als ein Jahr zurückliegt und hinterlässt am Ende bei mir den Eindruck, das sie nicht mehr lange zu leben hat.
Nach einigem Hin und Her stellt sich heraus, das ihr Freund, der einer unserer Freunde ist und den sie an dem besagten Tag vor einem Jahr bei uns das erste mal leibhaftig getroffen hatte, sich von ihr getrennt hat.
Schwierige Situation, denn besagter Freund wird bald wieder für einige Wochen bei uns wohnen und ich bin nicht sicher, ob ich den Kontakt thematisieren soll – er hat den Bruch der Beziehung schließlich auch nicht thematisiert.
Am Ende schüttet sie mir ihr Herz aus, ich höre zu, hoffe für sie da sein zu können, wenn möglich ohne ihm zu nahe zu treten. Von mir darauf angesprochen, will er nicht so recht rausrücken, so dass ich das Thema fallen lassen kann, nicht ohne Erleichterung, denn seine peinliche Berührung wird zu meiner.

Eine mir liebgewordene Nachbarin steht vor der Tür und versucht mir auf möglichst unberührte Art zu sagen, das sie und der Nachbar sich getrennt haben. Es fällt ihr nicht so leicht, wie sie es möchte.
Ganz überraschend ist das nicht. Hier auf dem Land ist es still und so bleiben einem manch lautstark ausgetragenen Meinungsverschiedenheit ebenso wenig verborgen wie ein auf den Hof fahrender Krankenwagen. Die Wissenslücken werden am Ende bei einer Flasche Wein durch die Überbringerin dieser schlechten Nachricht gefüllt. Ein gemeinsames Kind, ein Jahr nach der ersten Begegnung der Beiden geboren und gerade erst im Kindergartenalter, verkompliziert die Situation ebenso wie reale Abhängigkeiten. Noch immer leben sie unter einem Dach und die beiden zu besuchen ist derzeit alles andere als schön. Spricht man mit dem einen, schleicht der andere herum und umgekehrt. Was für Besucher schon nicht leicht ist, muss für die zwei die Hölle sein.

Ein anderer Freund lebt schon einige Jahre mit seiner, dem Hörensagen nach äußerst temperamentvollen, Freundin zusammen, als diese, gekriselt hat es wohl schon länger, für zwei Wochen zu einem gemeinsamen Bekannten nach Portugal reist, während der Freund sich aus arbeitstechnischen Gründen hier aufhält. Am Ende kommt sie wieder zurück und es stellt sich nach und nach heraus, das sie nun mit dem gemeinsamen Bekannten liiert ist und das sie ein Kind von ihm erwartet. Ich gebe zu, diese Art von Grausamkeit war selbst für mich bis dahin unvorstellbar und sie konnte nur noch durch die Tatsache übertroffen werden, das die Freundin offensichtlich schon während ihres Aufenthaltes in Portugal eine Entscheidung getroffen und diese via Internet mit entsprechenden Fotos veröffentlicht hatte ohne auch nur einmal zuvor mit ihrem Freund über die Ereignisse gesprochen zu haben.

Ein Bekannter sitzt mit gegenüber und spricht über seine Lebensgefährtin, die Mutter seiner drei Kinder. Die Art, wie er es tut, würde mich, so denn ich diese Lebensgefährtin wäre, nur noch über die Wahl der Waffe nachdenken lassen. Auf die Frage, warum er mit ihr zusammen bleibt, antwortet er mit einem Klassiker: Wegen der Kinder.

Wir sitzen mit Freunden in der Küche und plaudern. Das Paar ist knapp ein Jahr zusammen und sie ist im sechsten Monat schwanger von ihm. Alles sieht gut aus, doch nachdem sich die Männer mit dem kleinen Noah, der Freundin erstes Kind, ins Wohnzimmer verkrümelt haben, um DVD zu schauen, stellt sich in einem Gespräch unter Frauen schnell heraus, das es alles andere als gut läuft und das die Beziehung zu scheitern droht. Gewalt ist ein Thema, Sprachlosigkeit ist ein weiteres. Mir stellt sich nach längerem Zuhören die Frage, ob und wie diese gravierenden Probleme zu lösen sein sollen, vor allem, wenn erst mal das Kind da ist.

Es ist jetzt bald 17 Jahre her, da haben sich die Wege meines Liebsten und die meinen gekreuzt. 17 Jahre, die nicht immer leicht, die nicht immer schön, die aber immer die unseren waren. Daran hatten wir nur sehr selten einen Zweifel.
Beide von Eltern geprägt, die in der Lage waren, ihre Krisen zu bewältigen und die noch immer zusammen sind - aus weit mehr Gründen als Duldung oder Abhängigkeit – vermitteln diese uns bis heute ein lehrreiches Bild von Liebe, Respekt, Kommunikation und Zugewandtheit. Dadurch schien mir das, was mein Liebster und ich miteinander teilen auch nur normal, wenn nicht in gewisser Weise allgemeingültig.


Bis zum Jahre 2006.

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

danke. dies zu lesen macht mir wieder bewusst in welcher situation ich mich tatsächlich gerade befinde.

vor diesem sonntag, an welchem sie mir bei einem alkoholfreien cocktail sagte sie wäre schwanger, glaubte ich noch fest daran dass diese hirngespinste von einer fernbeziehung mit einem portugiesischem rockstar schnell wieder verfliegen würden.

ihre worte über eine "pause" und "ich muss mal eine zeit lang allein sein" standen in völligem gegensatz zu ihren handlungen. ihr wunsch nach einem unabhängigen leben ist heute unerfüllbarer denn je zuvor. und das schlimmste: sie hat sich noch nicht einmal gedanken gemacht wie es weitergehen soll.

in selbstmitleid gefangen bin ich nicht mal in der lage eine klare entscheidung zu treffen, eine entscheidung die ich vielleicht schon vor wochen hätte treffen müssen: "ich bin raus"

so leben wir jetzt gerade nebeneinander her und der portugiesische rockstar kommt desöfteren zu besuch; bleibt mitunter zwei wochen und die beiden scheinen glücklich.

warum tue ich mir das an. wahrscheinlich weil ich sie kenne und weiss, dass sie an allem zerbrechen wird. so temperamentvoll wie sie ist, so schwach ist sie auch.

nichtsdestotrotz: berlin ich komme.

früher oder später.

mq hat gesagt…

Jeder ist seines Unglücks Schmied.

schafswelt hat gesagt…

@ Daniel: Nur soviel will ich an dieser Stelle sagen: Berlin bitte früher als später. Es geht auch um Dich!

@ Markus Quint: So kann man es sehen, doch mir ist das, da bin ich ehrlich, zu zynisch.

Anonym hat gesagt…

ich hab als schmied dann doch sehr zu kämpfen mit meinem eisen, im nachhinein.

mq hat gesagt…

Verzeihung, meine Finger müssen sich auf der Tastatur verselbständigt haben. Ich bin im Grunde kein Zyniker, es handelte sich um eine verdrehte Übersprunghandlung.

schafswelt hat gesagt…

@Lars: Das mit Deinem Eisen tut mit leid. Ich hatte den Eindruck, dass das ausgestanden sei. Freu mich auf nächste Woche...xx

@ Markus Quint: Solange Sie sich nicht verdrehen...:-)

rock'n'art hat gesagt…

um gottes willen. was ist denn los?