Tag I
Als man sich auf den Weg ins persönliche Mekka macht, steht die Sonne gerade erst seit einer Stunde über dem Horizont. Der Nebel beginnt sich zu lichten. Die Stimmung ist friedlich, ruhig, entspannt.
Man klärt die Fahrerfrage und es geht los zu den Gesängen von Jens Lekmann. Perfekte Melodien für den Beginn eines sechsstündigen Ritts quer durchs Land. Es wird Gas gegeben, auf dem Beifahrersitz wird sich die Decke ins Gesicht gezogen, das Kissen gerichtet und die Augen geschlossen, um Kraft zu tanken für den eigenen Teil des Strecke. Schwerin saust vorbei, Hamburg gewährt rechter Hand einen kurzen Blick in eine der Herzklappen seines Motors und ist sogleich nur noch ein flüchtiger Gedanke. Die Stunden ziehen vorbei und die treibenden Melodien von Muse lassen das Gefühl für die eigene Geschwindigkeit verlieren, die Geige von Final Fantasy erlaubt einen weiten Blick.
Fahrerwechsel.
Das Wetter spielt nicht mehr mit. Wolken kratzen sich an den Höhen des Harzes die Bäuche auf und lassen alles heraus. Die Bäume, die im rechten Winkel zum steilen Gefälle wachsen, wirken, als ob die Welt hier falsch zusammengesteckt worden wäre.
Nebelverhangene Wälder und einsame Straßen, die sich schmal durch vorrüberfliegende Bilder schlängeln, lassen einen das erste Mal den Zauber dieses Mittelgebirges und seiner alten Legenden verstehen.
Stunde um Stunde schraubt man sich höher, Anstieg und Fall werden steiler. Die neuralgischen Städte verbergen sie sich im wahrsten Sinne des Wortes.
Man bekommt das Gefühl, das der Körper ins Hirn gedrückt wird.
Endlich, nach sechs Stunden erscheint die Skyline von Frankfurt. Eine falsche Abfahrtnahme führt zu einer unfreiwilligen Stadtrundfahrt und man ist erstaunt, wie klein die Stadt ist, hatte man doch auf Grund ihrer Bekanntheit und der gegebenen Infrastruktur einen Moloch erwartet.
Die Infrastruktur des Messegeländes scheint eine Herausforderung. Orientierungslos irrt man durch lange Gänge. In den Hallen drängeln sich die Stände der Verlage und ihre Anbeter. Dazwischen immer wieder die Autoren. Man wird unfreiwillig Zeuge, wie ein bekanntes Gesicht mal wieder sein Glück bei den Frauen versucht, wie ein anderes von Kameras flankiert, durch das Meer der Gläubigen schreitet, als würde es allein es teilen können. Auch beim Verweilen kann man beobachten, wie eine Autorin gegen ihren eigenen Rat futtert und wie im Gesicht einer anderen sichtbar wird, wie sehr sie dem Ruhm vergangener Tage hinterher rennt. Auch die Tarnung eines Schauspielers wirkt nur, solang dieser sich nicht durch seine markante Stimme verrät. Einen Politiker kündigt der durchdringende Geruch von Alkohol an, bevor er selbst in der Menge sichtbar wird.
Doch es geht um die Welt zwischen den Deckeln und weniger um die drum herum.
Bisher nicht mit dem Prozedere vertraut, begreift man erst allmählich, das man das Geld heute auch noch auf der Bank hätte liegen lassen können. Verkauft wird, wenn überhaupt, erst am letzten Tag der Messe. Der, zugegeben etwas dummdreiste Versuch, seinen Beitrag zur Statistik des meistgeklauten Buches zu leisten, scheitert kläglich und so nutzt man lieber die Zeit zur entspannten Orientierung. Bald findet sich ein angenehmer Rhythmus von lesen, schlendern, schauen.
Am Ende wird man mit der Menge hinausgespült, schwimmt mit dem Strom und strandet, ohne es zu wollen, am Hauptbahnhof. Dort kämpft man mit einem U-Bahnnetz, das einer Stadt wie Berlin zur Ehre gereichen würde und findet doch am Ende den Weg in ein nettes Restaurant.
Leider muss man feststellen, das Hessen kein schönes Leben zu haben scheinen, denn auch hier verhält man sich, wie man es schon den ganzen Tag beobachten konnte, reserviert gegenüber der von einem initiierten Charmeoffensive.
Tag II
Der Tag der Heimreise beginnt schon früh. Man freut sich, früh genug wach geworden zu sein, um den vollen Mond im Licht der aufgehenden Sonne sehen zu können.
Nach einem Frühstück, flankiert von der halben indischen Fraktion der Buchmesse, stürzt man erneut ins Getümmel. Ausgestattet mit Taschen, einer gefüllten Geldbörse und dem Willen zu suchen und zu finden, trifft man sich noch mit einem Nordlicht, welches das Leben tatsächlich in diese Region verschlagen hat und das, man glaubt es kaum, Messen tatsächlich mag. Die am Tag zuvor entstandene Liste wird abgearbeitet, doch oh je, nicht jeder Verlag beteiligt sich am Buchverkauf.
Die große Enttäuschung steht einem beim Diogenes-Stand ins Gesicht geschrieben, doch eine bereits erprobte Charmeattacke bleibt diesmal nicht unerhört und man darf zumindest ein Exemplar von „Der kleine Nick ist wieder da!“ von Goscinny/Sempé als Ansichtsexemplar mitnehmen.
Auch Luchterhand und Random House sollen an dieser Stelle erwähnt werden - für ein persönliches Leseexemplar „Spiele“ von Ulrike Draesner und den netten Hinweis „Wenn sie es denn bezahlen wollen....“ in Bezug auf Frank McCourts „Tag und Nacht und auch im Sommer“. Das Buch wurde dennoch bezahlt, denn ein großer, bärtiger Mann wollte einen partout nicht aus den Augen lassen und noch eine Peinlichkeit dieser Art wäre schwer zu ertragen gewesen.
Am Spiegel-Stand kann man eine interessante Diskussion zum Thema Islamismus zwischen Hendryk M. Broder und Cem Özdemir verfolgen – etwas für den Kopf, doch leider nicht für die Füße. Die beginnen inzwischen schmerzvoll zu pochen.
Die Zähne werden zusammengebissen, denn wer weiß wann man wieder die Gelegenheit hat, solch eine Pilgerreise anzutreten - auf diese hat man schon fünf Jahre warten müssen – also, weiter geht’s.
Nach Halle 4.1 wird jedoch endgültig schlapp gemacht. Der Informationsoverkill ist eingetreten und so setzt man sich in den Hof, isst etwas und redet noch fast zwei Stunden.
Am Ende stellt man fest, in diesem Chaos ist ein Plan von Vorteil, denn es dürften einem sehr viele interessante Veranstaltungen entgangen sein, für die man doch eigentlich zu dieser Messe angereist ist.
Im Licht der tiefstehenden Sonne macht man sich auf den steinigen Heimweg - wie so viele. Der Mond leuchtet einem den Weg. Silhouetten der Wälder zeichnen sich gegen den Himmel ab, Bilder spielen sich innen ab.
Es wird tief durchgeatmet. Frankfurt tut dies auch, ich bin sicher, und nächstes Jahr kriegen wir euch Hessen auch noch! Wetten das?...:-)
Dienstag, Oktober 10, 2006
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2 Kommentare:
Frankfurt ist tatsächlich ein Großstadtdorf, aber die U-Bahn ist tipptopp.
Wenn man das Netz verstanden hat, ist sie das bestimmt....:-)
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