Freitag
Es ist natürlich der eine Tag einer ansonsten ruhigen, sonnigen Woche, an welchem Wind gesät wird, um Sturm zu ernten – und um nach Geschenk auf dem Dachgepäckträger zu greifen. Taktisch erfahrene Männer wissen dieses jedoch zu verhindern.
Auf der Suche nach einem Parkplatz durch Ottensens undurchschaubares Gassengewirr kreuzend, erinnert man sich wieder, warum man froh ist, nicht mehr in Hamburg zu leben. Nette Gegend, aber am Freitag geht es dort zu wie auf dem Jahrmarkt.
Die Tür der Wohnung wird geöffnet und das Geschehen spült einen in die Küche – wo auch sonst hin? Ist es erst eine Notwendigkeit, um Raucher vor einem Baby zu schützen, bleiben diese bis zum Schluss gern unter sich, auch wenn das Büffet nach einiger Zeit an Ansehnlichkeit verliert und der Getränkekonsum immer wieder seinen Tribut fordert, indem sich Kühlschrankgriffabdrücke auf des Einzelnen Rücken manifestieren.
Am Ende sind die gemeinsam gekommenen vier - wie immer - das Letzte. Alkohol ist der Freund der Stunde und die Freunde alkoholisiert. Muster machen sich breit und es wird deutlich, das es Zeit ist, zu gehen. Fahren können nur noch Auserwählte, die sich die Frage stellen, wer sie überhaupt auserwählt hat.
Samstag
Katerfrühstück - zumindest für ein bis zwei der Vier. Für die anderen beiden ist es einfach nur ein Frühstück. Dem Einen bleibt kaum eine Stunde zur Rekonvaleszenz, dann muss er schon wieder ran. 18 Stunden Arbeit stehen bevor, doch das Mitleid hält sich allgemein in Grenzen, denn man weiß doch inzwischen, was man tut.
Ein Zweiter verabschiedet sich in Richtung Verwandtschaft und die übriggebliebenen fahren durch Hamburg, um Probleme zu lösen, die nur die Infrastruktur einer Großstadt lösen kann. Es werden lange Fahrten, die an alte Wirkungsstätten führen und von Sonne bestrahlt fast Wehmut aufkommen lassen. Erinnerungen an lange Herbstspaziergänge im Stadtpark bei strahlendem Licht und vor Kälte klirrender Luft offenbaren sich, Bilder von Terrassen netter Cafes und Bars ziehen innen wie außen vorbei – Orte, an welchen man Stunden im Kreise der Besten verbracht hat, lachend, ausgelassen im Gefühl das Einzige zu sein, was zählt in diesem Moment, in dieser Stadt.
Ein dicker Zeh des Fahrers verhindert jedoch eine Revivaltour und am Ende landet man mit vielgeliebten und lang vermisstem Sushi auf der Couch und vor dem Fernseher. Schnell offenbart sich jedoch, das der Samstagabend im Sinne eines Fernsehabends getötet wurde. Man erahnt einen perfiden Plan von Programmdirektoren und GEZ-Einsammlern, der Zuschauer dazu bringen soll, auf DVD auszuweichen oder etwas Sinnvolles mit ihrer Zeit anzustellen statt dummen, bewegten Bildern beim Laufen zuzuschauen. Der Plan wirkt kontraproduktiv und wenig durchdacht.
Schön hatte man es trotzdem oder genau deswegen?
Sonntag
Um 8.00h sind die 18 Stunden des Rekonvaleszenten vorbei und tatsächlich dringt aus der Muschel des Telefons eine von Müdigkeit raue Stimme, die nichts dagegen einzuwenden hat, das man sofort diese Stadt verlässt, um im eigenen Bett zu schlafen. Die Müdigkeit ist so total, das eine probende Band nicht vom Schlafen wird abhalten können. Sachen werden gepackt, der Hund auf eine kleine Runde geführt, ein Bäcker aufgesucht und schon fliegt man in Richtung Osten, der Sonne entgegen.
Die Strassen sind um halb zehn erstaunlich voll, voll von Menschen mit kleinen Augen und aufgerissenen Mündern – fast so, als ob sperrige Stadtluft nur so konsumiert werden könnte.
Auch auf der Autobahn wird es trotz fehlender LKWs nicht weniger. Man ahnt, das die Städter sich der Halluzination ergeben, Pilze zu finden. Man weiß natürlich, das diese Drogen schon abgeerntet sind.
Ein Lächeln huscht in Höhe des Schildes „Willkommen in Mecklenburg-Vorpommern“ über das Gesicht der Fahrerin. Angekommen, wird durch ein zugeparktes Haus daran erinnert, das man heute die Wahl hat. Im Haus irritierte Gesichter und Sätze wie: „Ihr seid schon da?“, in welchen Enttäuschung mitschwingt. Bei einem gemeinsamen Frühstück werden Sorgen zerstreut. Es kann weitergeprobt werden.
Um sechs ist das Haus wie leergefegt und nur noch ein paar übriggebliebene Zahnbürsten im Bad erinnern an die Belagerung.
Der Fernseher wird angeschaltet. Bei einem der GEZ-Vereine prognostiziert die erste Prognose den Einzug der NPD in den Landtag Mecklenburg-Vorpommerns. Der Osten vom Osten hat Stellung bezogen - ist in Stellung gegangen - doch schon im Interview wird von der NPD angekündigt, das man als Opposition alle Fehler der bis dahin noch nicht klaren Regierung aufzeigen will.
Das braucht dieses Land, noch mehr Sprücheklopfer in den Reihen dieses so stoischen, schweigsamen Volkes, das zu keiner Revolution taugt.
Man hatte die Wahl und ist dennoch daheim! Das Herz schlägt nordöstlich.
Montag, September 18, 2006
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2 Kommentare:
Nieder mit der NPD!
Sehr stimmungsvoller Text, beeindruckende Ortung des Herzschlags.
Danke schön! Das freut!
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