Es begab sich an einem der ersten wahren Sommertage des Jahres, das sich die holde Maid beim Nachbarn einlud, um zu helfen und am Ende den Tag am Ufer des Sees in netter Gesellschaft ausklingen zu lassen.
Schon sprach die Frau des Nachbarn: „Hab Dank für deine Hilfe, doch ich werde sicher nicht lang dort mit euch verweilen. Ameisen und Mücken sind einfach zu wehrhaft.“
Nun trug es sich zu, das die holde Maid nicht weit genug gedacht hatte und sich, die Warnung der Frau des Nachbarn in den Wind schlagend, nur in Sandalen dort hin begab.
„So schlimm wird es schon nicht werden. Wir sind doch alle eins.“, dachte sie noch so bei sich, während sie friedlich auf der Bank saß - Seite an Seite mit dem Nachbarn - und plaudernd der Sonne beim Untergehen zusah.
Hin und wieder zwickte es hier und biss es dort, doch erschien es ihr selbst dann noch überschaubar, als sie versuchte, eine Ameise aus ihrem Dekolleté zu angeln, diese jenen Versuch jedoch nicht als Rettung verstand und sich entsprechend wehrte. Als die holde Maid daraufhin die Ameise ansprach um das Missverständnis aufzuklären, lachte der Nachbar nur und sagte: „Schau an, sie lässt sich lieber beißen als diese eine von Millionen zu töten.“
Sie war irritiert. Ihr schien es natürlich sich so zu verhalten. „Wir sind doch alle eins!“, dachte sie erneut und ebnete der Ameise einen Weg aus ihrem T-Shirt, den diese denn auch fand, jedoch nicht ohne vorher noch einmal ihr Gift zu verspritzen.
Schon immer hatte sie die Natur geliebt, besonders die Tiere und die Bäume – Blumen als Teil eines Gartenbeetes waren ihr eher fremd, am Feldrand und auf den Brachwiesen jedoch liebte sie sie. Sie hatte sich von klein auf in bescheidenem Maße um die Natur bemüht, wenn auch nicht immer mit dem entsprechenden Erfolg, wenn man an das Aquarium mit dem still vor sich hin faulenden Froschlaich dachte, das eindeutig zu lang auf ihrer Kinderzimmerfensterbank gestanden hatte.
In keinem Winter sollten die Singvögel in ihrem Garten Hunger leiden, Mäuse wurden grundsätzlich mit Lebendfallen gefangen, hässliche Koniferen wurden nicht gefällt, da so mancher Vogel diese Pflanze als Nistplatz schätzte, das Schilf wurde nur teilweise im Winter gemäht damit noch genug für die Tiere stand, die im Frühjahr dankbar für dessen Schutz ihren Lebensraum dort einrichteten, Bäume, die an unpassenden Stellen wuchsen wurden nicht wie Unkraut herausgerissen sondern durften solange bleiben bis man einen adäquaten Platz für sie gefunden hatte und Ameisen durften die Garage als Durchgangsstraße nutzen.
Sie war immer schon der Meinung gewesen, das die Menschen sich als ein Teil der Natur verstehen sollten, die Natur und die darin lebenden Wesen begreifen müssten statt sie zu bekämpfen, denn am Ende würde Fauna und Flora noch vorhanden sein, die Menschen aber als ein Teil dessen aussterben, wie zuvor schon so viele Millionen anderer Arten ausgestorben sind.
Diesen Gedanken nachhängend, ignorierte sie das Gekrabbel auf ihren Füßen und schaute im Licht der letzten Sonnenstrahlen den Fledermäusen über ihren Köpfen nach, die wegschafften was sie quälte – die Insekten.
Ihr war klar, das Natur nicht Leben im Streichelzoo bedeutete, doch sollte jeder Tod von Nutzen sein und der einer Ameise oder einer Mücke, die sie bissen, standen ihrer Meinung nach als Nutzen nicht im Verhältnis zu ihrem Wohlbefinden. Schließlich erschlug sie ja auch nicht Dieter Bohlen.
Und doch, als die holde Maid am nächsten Morgen aufwachte, ihre rot verschwollenen, von der Menge der Bisse und Stiche unförmig gewordenen Füße betrachtete und sich mühte, nicht zu kratzen, begriff sie, das diese Tiere ihr an jenem Abend ihren Platz in der Kette zugewiesen hatten, welcher weit weniger königlich hoch angesiedelt war als sie bisher vermutet hatte. Sie erkannte, trotzdem ihr Rachegedanken noch immer schwer fielen: Natur ist nichts für Pazifisten.
Montag, Juni 12, 2006
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