
Es kann nur geradeaus, es kann nur laut, es kann nur direkt, es kann nicht anders. Im Viktorianischen an den Rand gedrängt und fast ausgestorben, erfreut es sich jetzt, im Zeitalter der Hochtechnologie, so großer Beliebtheit, das man glauben könnte, die Steinzeit feiert ihr Comeback.
Aber wen wundert es, hat es doch durch Internet, Handy, Privatfernsehen und digitalisierte Medien eine ganze Welt für sich gefunden.
Mit Einzug dieser Technologien konnte sich das Primitive aus dem Untergrund wie ein Lauffeuer in das allgemeine Leben ausbreiten, Kanäle besetzen und besitzen und den Inhalt des unteren Teil so mancher Ladentheke, nicht immer um Erlaubnis fragend, in jeden angeschlossenen Privathaushalt liefern.
Die Schamgrenze, ein wichtiger Bestandteil des In Schach Haltens des Primitiven, fiel der Möglichkeit der Anonymität zum Opfer. Fern des Gesichts, des Blick und des unmittelbaren Urteils des Anderen lässt sich alles so viel leichter sagen und zeigen als manch einem lieb ist.
Das ist nicht immer unwillkommen, würde ich behaupten. Hin und wieder hat das Nicht um den heißen Brei reden auch seinen Reiz, aber die Frage nach dem richtigen Moment ist diffizil.
Das Wann und das Wie erfordern eine Raffinesse, die im direkten Widerspruch zum Primitiven steht.
Ohne generalisieren zu wollen, denke ich, das sich so manchem Mann (vermutlich auch genug Frauen) durch Internet und Handy Wege eröffnet haben, das nicht vorhandene Talent zum Flirten zu kompensieren.
Das klingt im Internet dann ungefähr so:
„Wie alt? – Wie siehst du aus? - Hast Foto? – Worauf stehst du? – Willst ficken?“
Wenn die Abfuhr kommt, ist sie auf Grund der räumlichen Trennung weniger schmerzhaft. Würde die holde Maid neben diesem Affen stehen, würde sie ihn vermutlich nicht nur wegklicken sondern wegkicken.
Im Bewusstsein, das ihm das erspart bleibt, glaubt er, sich nicht bemühen zu müssen. Irgendeine wird schon anbeißen. Kaum vorstellbar, aber es soll schon geklappt haben.
Auf der anderen Seite gibt es den typischen Fall von nicht redegewandt, aber dennoch auf einen gewissen äußeren Rahmen bedacht. Dieser ist für ihn eigentlich nicht wichtig, aber er geht davon aus, das er für sie wichtig ist.
Da kommt erst ein „Wie geht´s?“ vor „Wie alt?“ bzw. „Wie siehst du aus?“ und ein „Was machst du so?“ vor dem Rest. Wenn die holde Maid jedoch nun versucht, ernsthaft ein Gespräch aufzubauen, fliegt die Tarnung schnell auf. Denn nach dem Austausch der Interessen jenseits dessen, worum es eigentlich geht, stellt sie schnell fest, das keine Gemeinsamkeit die intellektuelle Ebene füttert.
Ihn stört das nicht, sie jedoch schon und lehnt ihn als zukünftigen Partner für was auch immer ab.
„Ich treffe mich lieber. Von Angesicht zu Angesicht spricht es sich doch leichter.“, versucht er noch zu locken, doch sie durchschaut es und lässt dies auch durchblicken.
Dann der nette Versuch eines Tricks von ihm: „Immer glauben alle Frauen, das es nur um das Eine gehen würde. Das Mann sich auch einfach nur unterhalten und Freundschaften aufbauen will, glaubt niemand.“
Wenn sie dann aber sagt: „Wenn ich mich treffe, dann nur für das eine. Alles andere habe ich schon.“ kommt prompt: „Na, dann passt es doch!“
Auch die SMS ist nicht zu unterschätzen. Hat es nun doch jemand geschafft, vermutlich auf charmantere Art, die Handynummer der holden Maid zu ergattern, bricht das Gerüst relativ schnell zusammen. Ein Foto oder ein erstes Treffen vorrausgesetzt, folgt meist auf eine erste noch harmlose Test-SMS sogleich die erste Anzüglichkeit und während bei der direkten Gegenüberstellung die holde Maid errötend lächeln oder gar kichern würde und dieses nun eine Zärtlichkeit und vielleicht den ersten Kuss zur Folge hätte, lächelt sie bei der SMS im stillen, sieht sich aber gezwungen zu antworten, damit auch er mitbekommt, das sie lächelt. Jedoch entgeht ihm das zarte Erröten und statt sich einfach zu freuen, das er positiv aufgenommen wurde (die zärtliche Geste muss leider ausbleiben), glaubt er, den Kontakt auf keinen Fall abreißen lassen zu dürfen und schreibt weiter: „Wenn ich jetzt bei dir wäre, dann würde ich....“ (wahlweise „...würden wir....“) und schon hat das Primitive wieder Freigang. Statt es zu tun, erzeugt er die entsprechende Fantasie, um es dann beim nächsten Mal tun zu können.
Ein Cleverle – wenn es nicht so durchsichtig wäre. Kann trotzdem klappen oder vielleicht gerade deswegen?
Ich gebe zu, es ist nicht immer leicht. Letztendlich wollen wir wohl alle dasselbe und generell ist gegen ein paar Deftigkeiten nichts einzuwenden – wo und wenn sie passen – aber ich finde es traurig, das so manch ein Ritual derzeit einen leisen Tod stirbt, das neben der optischen und der intellektuellen Komponente, die der sexuellen Kompatibilität, nicht nur hinzugekommen sondern offensichtlich für manch einen zur entscheidenden Frage geworden ist.
Der Schutz der Anonymität bietet den Verunsicherten Möglichkeiten, die sie sich im wirklichen Leben nur schwer erarbeiten hätten können und ich selbst erkenne den Vorteil, aber dennoch - ist das gleich ein Grund, seine Manieren über Bord gehen zu lassen und das allzu Menschliche zu entmenschlichen?
Oder will hier vielleicht jemand ernsthaft mit seinem Handy......?
Grunz!
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