Samstag, November 12, 2005

Neuland?

Auf der Suche nach einem – ja was?, blättere ich in den Gelben Seiten und stelle fest, das ich mit dem landwirtschaftlichen Vokabular und Netzwerk alles andere als vertraut bin. So schwer kann es doch nicht sein, Kraftfutter für Schafe zu besorgen und finde unter dem Stichwort Genossenschaft eine Adresse auf der anderen Seeseite. Schnell ist jedoch geklärt, das Genossenschaft in dem Sinne wohl nicht der richtige Begriff ist und werde an die Raiffeisen in Crivitz verwiesen.
Ist das nicht auch eine Genossenschaft?
Dort meldet sich um elf Uhr vormittags nur der Anrufbeantworter, der einen immerhin auf eine Handynummer verweist. Ich solle Herrn Preuss, den Besitzer des Handys, doch bitte in einer viertel Stunde noch einmal anrufen, dann könne er mir die Telefonnummer von der Raiffeisen Goldberg nennen, denn er selber könne mir in dieser Angelegenheit nicht weiterhelfen. Nach zwei Versuchen innerhalb von 20 Minuten gebe ich ihm meine Telefonnummer und bitte um Rückruf, so denn er fündig geworden ist.
In Goldberg kann man mir endlich weiterhelfen. Nur bei der Frage nach den Inhaltsstoffen muss man oder in diesem Fall Frau Göhren Nachforschungen betreiben. Ich solle sie im Laufe des Tages noch einmal anrufen. Will denn keiner mehr zurückrufen?
Nachdem ich schon eine Stunde auf dieses Problem verwendet habe, beschließe ich, erst einmal ins Atelier zu gehen und zu arbeiten. Ich habe mit meinem Anruf noch bis sechzehn Uhr Zeit und ich möchte ehrlich gesagt nicht darüber nachdenken, was ich machen soll, wenn das Futter die falschen Inhaltsstoffe hat oder was ich tue, wenn sie mich noch zweimal um einen erneuten Anruf bittet.

Das Futter hat die richtigen Inhaltsstoffe und so fahren wir zwei Tage später in Richtung Goldberg.
Ortseingang. Ein großes Schild zur Linken weist das Gelände der Raiffeisen aus, allerdings suche ich fürs erste vergeblich eine Zufahrt.
Ich finde sie und fahre parallel zur Landstraße wieder in die Richtung aus der ich gekommen bin. Mein Weg führt mich vorbei an verfallenen Häusern, ausgeschlachteten Industriehallen und verwaisten Großflächen, die sich die Natur langsam zurückerobert. Ein nicht unübliches Bild in Mecklenburg-Vorpommern. Die blühenden Landschaften sind hier in einem anderen Kontext zu sehen.
Am Ende der Straße links hoch ein großes saniertes Haus, vermutlich die Zentrale der Raiffeisen, rechts geht es runter zu den Lagerhallen.
Die erste Lagerhalle steht offen, doch sieht es dort nicht nach Futtermittellagerung aus und so fahre ich weiter auf das Gelände. Die zweite Lagerhalle ist komplett geschlossen. Nirgendwo ein Mensch weit und breit. Ich fahre zurück zur offenen Halle, in der Annahme dort müsse sich jemand befinden. Ich parke, steige aus und betrete die Halle. Zur rechten türmen sich sechs Meter hohe Haufen von was auch immer auf. Ein Radio spielt. Das Gefühl von Zeitreise oder Atomschlag macht sich langsam breit. Ich gehe weiter hinein, ignorierend, das der Betonboden unter meinen Füßen von einer schlammigen Schicht überzogen ist. Als ich am Ende aus einem Seiteneingang heraustrete sehe ich zwei Männer, die aus einem der Nebengebäude zur Lagerhalle herübergehen. Sie sehen mich, bleiben abwartend stehen, schauen mir misstrauisch aus ihren wettergegerbten Gesichtern entgegen.
Auf halben Wege rufe ich „Tach“ (ein Kompromiss, nachdem ich feststellen musste, das „Moin“ hier wörtlich genommen wird und spätestens ab Mittag für ein süffisantes Grinsen sorgt und das ortsübliche „Tagschön“ für mich nicht über die Lippen zu bringen ist.). Sie murmeln etwas.
Ich erkläre mein Problem. Sie wissen schon wer ich bin, können sich aber den Hinweis nicht verkneifen, das in ihrer Halle nur Dünger gelagert wird und ich mir dort höchstens schmutzige Füße, aber auf kein Fall Schaffutter holen kann.
Sie erklären mir den Weg.
Ich setze mich ins Auto, fahre hinter der zweiten Halle links und finde eine lange Reihe alter Garagen vor. Es ist sogar jemand da, der aber, nachdem er uns sieht, in einer Garage verschwindet. Ich steige aus, schaue mich um und gehe dann direkt zur Garage, in welche der Mann verschwunden ist. Ich schildere auch ihm mein Anliegen und auch er weiß schon. Er verweist mich auf das gegenüberliegende Haus mit dem grünen Kasten. Dort müsste ich erst einmal Bescheid sagen.
Das von ihm beschriebene Haus hat zwar Türen, aber ohne Klinken und mit vielen Warnhinweisen versehen. Und natürlich treffe ich dort niemanden an. Als ich mich umdrehe, sehe ich den Mann gerade über eine Treppe Richtung Haupthaus verschwinden.
Mir reicht es. Ich bin immer noch im Jahr 2005 und habe ein Handy. Ich rufe an und höre: „Ach je, ich weiß schon! Der Herr Pasekow ist gerade hier. Ich schicke ihn sofort runter zu ihnen.“ Geht doch!
Fünf Minuten später kommt der Herr Pasekow mit seinem Gabelstapler um die Ecke gefahren. „Tach“ – „Tach.“ – „Dann zeigen sie mal den Lieferschein.“
Hhhhhhhhgggggggggrrrrrrrrrr!!!!!!
Es stellt sich heraus, das dass Futter im Wert von acht Euro als Barverkauf erst mal in dem Büro abgewickelt werden muss. Da fahren sie............ Ich weiß schon.
Dort angekommen irrt mein Angeliebter durch lange Gänge und schaut in offene Büros, in denen niemand sitzt. Am Ende eine geschlossene Tür. Er klopft. Jemand bittet ihn herein.
Nach Erklärung seines Anliegens, weiß der Mann auch schon, aber eigentlich bearbeitet das die Kollegin, die gerade, aber er kann ja mal.....
Nach einer erschöpfenden Diskussion an der Kasse wegen eines angerissen Fünf-Euro-Scheins verlässt er das Gebäude mit dem Lieferschein und der Herr Pasekow übergibt uns einen 25 kg Beutel Schaffutter.

Die Entfernung von unserem Dorf dorthin beträgt 30 km und doch, der Mond könnte nicht weiter entfernt sein.
Posted by Picasa

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