Samstag, November 05, 2005

Meine Mom wird heute sechzig.

Meine Mom wird heute sechzig. Gern würde ich ihr gratulieren, aber das geht leider nicht. Wieder einmal schippert sie auf hoher See, diesmal, glaube ich, befindet sie sich gerade auf dem roten Meer. Aber bestimmt sieht sie die Videobotschaften all ihrer Lieben, die Freunde so nett waren, zusammenzustellen.

26 Jahre war sie alt als sie mich 2 Tage vor Weihnachten endgültig rausgepresst hatte. Zu dem Zeitpunkt hatte ich es schon drei Wochen rausgezögert, den Realitäten ins Auge zu sehen. Aber sie hatte die Nase voll und sorgte dafür, das sie Weihnachten mit ihrem ersten Kind im Arm und nicht im Bauch verbringen konnte.

Man sagt, ich wäre ein ruhiges Kind gewesen (mein Vater würde an dieser Stelle sagen: „Da war sie noch ruhig“), dessen pflegeleichte Art sie ermutigt hat, noch ein zweites in die Welt zu setzen und so hatte ich knapp zwei Jahre später nicht mehr das Monopol auf Mamas Schoß.
Meine Schwester machte jedoch sehr früh klar, das jedes Kind von Anfang an eine eigene Persönlichkeit hat und sich mit niemandem vergleichen lässt.
Sie schrie sich die Seele und meinen Eltern die Nerven aus dem Leib.
Aber so was ist ja nur eine Phase.

Viele Phasen folgten: Hausbau, Selbstständigkeit, Kindergarten, Einschulung, Umzug nach Hamburg, Pubertät, Frestedt, Auszug der Kinder.

So kamen wir zwei und so gingen wir zwei. Seit bald 34 Jahren, ungefähr 20 davon haben wir unsere Füße unter ihren Tisch gesteckt, ist sie nun Mutter und ich untertreibe sicher maßlos, wenn ich sage, das sie es immer leicht mit uns gehabt hätte.

Ich persönlich habe ihr sicher so manches Mal das Leben zur Hölle gemacht und unsere Gefühle füreinander waren nicht immer von tiefer Zuneigung gekennzeichnet.
Sie hat mir einmal gesagt: „ Man wird sein Kind immer lieben, aber man muss es nicht immer mögen.“ Und obwohl ich selber noch keine Kinder habe, habe ich genau verstanden, was sie meinte, denn ersetzt man das Wort Kind durch den Begriff Mutter, ergibt der Satz auch einen Sinn.

Viele andere Dinge hat sie mich gelehrt, teilweise prägten und prägen sie mein Leben bis heute, nicht immer richtig verstanden und doch nie vergessen.
Ich wollte mich von ihr absetzen, anders sein, nicht wahrnehmend, das ich ihr so sehr ähnelte, das es meinen Vater manchmal schon gruselte.
Lange Jahre habe ich dagegen angekämpft, so wie ich sie bekämpft habe, doch es kam der Tag, an dem ich begriff, das ich ihr Kind bin - das sie meine Mutter ist.

Und an diesem Tag konnte ich mich für all das Gute öffnen, das sie mir mitgegeben hat:
Ihre Ehrlichkeit, ihre Willensstärke und ihre Konsequenz. Ihre Fähigkeit, den Dingen in die Augen zu sehen, egal wie sehr es schmerzt, ihre Geradlinigkeit. Ich trage ihre Liebe zur Natur, zu Büchern und zur Kultur in mir, ihre Kraft und ihre Stärke.
Ich bin das Kind meiner Mutter und ich hätte es wahrlich schlechter treffen können.

In diesem Sinne wünsche ich dir, ohne Übertreibung, weitere sechzig Jahre. Ich hab dich lieb.
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