Dienstag, Mai 30, 2006

So schön kann Sonntag sein

Ich denke, jedem geneigten Leser ist das Phänomen des Sonntagsblues bekannt. Der Sonntag, speziell, wenn er verregnet ist und oder eine durchzechte Nacht hinter einem liegt, kann unendlich lang sein. Man möchte etwas unternehmen, sich unter Menschen begeben und doch, nein, das scheint nicht das Richtige. Aber auch sinnentleert vor sich hinstarrend auf Sofa oder Bett liegen befriedigt nicht auf Dauer. Besonders, wenn die Nacht zuvor kurz war und man mit den aufwachenden Vögeln ins Bett ging, hadert man den Sonntag hindurch mit zeitlicher Orientierungslosigkeit, die erst mit der „Lindenstrasse“ eingenordet werden kann.
Bei mir lag am letzten Sonntag weder das eine noch das andere vor. Hatte ich noch am Samstag zuvor das nötige Maß an Alleinsein in vollen Zügen genossen, war ich Sonntags bereit für die Welt und geneigt, diesen Tag tatsächlich zu nutzen.
Auf Empfehlung des
Herr Paulsen und unterstützt durch die Tatsache, das Mequito seine wunderbare Geschichte „Ein verregneter Sommer“ lesen würde, machten wir uns auf den Weg nach Hamburg, um „Kaffee.Satz.Lesen Nr.31“ beizuwohnen.
Irritierenderweise findet die Veranstaltung in Hamm statt. Mir ist dieser Stadtteil eher aus Kindheitstagen als Austragungsort der Bundesjugendspiele und vom Besuch der Tanzschule „Phillips“, deren Disko ich einige Samstage heimsuchte, um mich als DJ-Groupie lächerlich zu machen, bekannt, nicht jedoch als kulturelle Brutstätte von Hamburgs Intelligenz. Mit Kultur hatte ich diese Ecke, ja eigentlich den Osten Hamburgs bisher nicht in Verbindung gebracht. Wohnen die Coolen nicht mehr im Westen?
Zu meiner Verteidigung möchte ich darauf hinweisen, das sich mein Aufenthalt im Abseits am Donnerstag zum dritten mal jährt und ich, Technik hin oder her, Veränderungen erst sehr spät mitbekomme, so denn sie mir überhaupt zugetragen werden - ich bleibe aber aufgeschlossen, flexibel und lernwillig.

Als wir gegen 15.40h eintrudelten konnten mein Angeliebter und ich gerade noch zwei nahe beieinander gelegene Einzelplätze ergattern. Von dort aus konnten wir bei Kaffee und Kuchen beobachten, wie noch bis zu Beginn der Veranstaltung immer neue Menschen durch die Tür in den Saal gespuckt wurden. Am Ende waren schätzungsweise 100 Menschen und mehr auf engem Raum versammelt, um kollektiv vier Literaten und einer Band zu huldigen.
Mequito begann mit „Ein verregneter Sommer“ und ich freute mich, diese wunderbare Geschichte endlich aus seinem Munde zu hören. Wie ich dieser Tage lesen durfte war er nüchtern und überrascht, wie viel Spaß das Ganze in diesem Zustand machen kann. Ich unterstreiche, das ich ihn als erstaunlich unaufgeregt erlebt habe - sehr souverän.
Ich wusste nicht, das es wie beim Musikfestival einen Headliner gab, auf den Veranstalter und Publikum gemeinsam hinarbeiteten. In diesem Fall war John von Düffel der Headliner, doch musste er aus terminlichen Gründen an die zweite Stelle vorgezogen werden und las so schon früh aus seinem neuen Buch „Hotel Angst“.
Zu meiner Schande war mir „einer der bedeutendsten deutschen Jungautoren“ bisher nicht bekannt. Am Verkaufstisch hatte ich in die ansonsten sehr schöne DuMont-Spezialausgabe von „Hotel Angst“ hineingelesen, doch hatte mich die permanente Anrede „Du“ entnervt und ich hatte das Buch zur Seite gelegt.
Beim Vorlesen wirkte das „Du“ weniger störend als gedacht, doch trotzdem der Vortrag und der Autor sehr sympathisch und auf eine ruhige Weise unterhaltsam wirkten, wird dieses Buch nicht in meine engere Wahl kommen. Jedoch bin ich neugierig geworden und habe mich nach Prüfung für das Buch „Zeit des Verschwindens“ entschieden.
Im Anschluss daran entließ uns die Band
klein mit drei akustisch gespielten Stücken in die Pause. Wunderbare Musik übrigens, wie ich auch nach mehrmaligen Hören der vor Ort erstandenen Platte ruhigen Gewissens sagen kann.
Nach Luft schnappen, Kaffee trinken und Zigarette rauchen und weiter ging es mit Rev. Christian Dabeler, der zu meiner Freude nicht aus seinem Buch las sondern einen neuen Text über die Lüge, das Männer sich keine Gedanken um ihr Aussehen machen würden, präsentierte.
Wir haben herzlich gelacht über seine offensichtlich schon in früher Kindheit angelegte Neigung zu exaltierter Kleidung und der Erkenntnis, das sich in einer bestimmten Weise anziehen auch Macht bedeuten kann, zumindest, wenn man ihm Glauben schenken darf, das Cordanzüge gepaart mit gelben, kleinen Reclamheftchen in vielen Kreisen Angst und Schrecken verbreiten können.
Auch sein Buch „Aus dem Leben des Manuel Zorn“ wanderte in meine Tasche und ich freue mich schon jetzt auf die Lektüre. Der Verkaufsstand hat im Übrigen in mir einen dankbaren Kunden gefunden.
Am Ende wurden wir von der Amerikanerin June Melby mit einer Mischung aus Musik und Text unterhalten, was bei mir leider auf Grund der Sprachbarriere nicht auf das nötige und sicher verdiente Verständnis traf.
Bezeichnender Weise bringt sie CDs und keine Bücher heraus, doch soviel Musik war nicht darin, das der Text in den Hintergrund treten könnte.
Alles in allem hatten wir einen sehr schönen Nachmittag mit den drei Ks – Kaffee, Kuchen, Kultur.
Mehr davon – nach einer Sommerpause – im September. Ich freu mich drauf und zumindest ab dann scheint zumindest ein Sonntag im Monat vor dem Blues gerettet.

1 Kommentar:

pinksonly hat gesagt…

Da findet genau bei mir um die Ecke Kultur statt (und das kommt nicht oft vor) und ich bekomm es nicht mit!!! Das nächste Mal will ich dabei sein!